"Rechtsnorm und Rechtspraxis im spätmittelalterlichen Basel"

Dissertationsprojekt, 2015-2022 - Gesamtnote: summa cum laude;
betreut durch Prof. Dr. Michael Rothmann (LUH), Zweitbegutachtung durch Prof. Dr. Gabriel Zeilinger (FAU).


Wenngleich der Rechtsbegriff vielschichtig diskutiert wird, so ist doch weithin unbestritten, dass Recht die Grundregeln des menschlichen Zusammenlebens beinhaltet. In seiner Gesamtheit besteht Recht dann sowohl aus geschriebenen als auch ungeschriebenen, sprich mündlich tradierten Normen, womit die gesellschaftlichen Funktionen und Auswirkungen von Literalität bereits vielfach zur Diskussion standen.

Jenseits rechtsphilosophischer Vorüberlegungen macht der Blick auf die Praxis der spätmittelalterlichen Gerichtsbarkeit, die weithin als Oberthema der Studie bezeichnet werden darf, dann eine dezidierte Quellenkritik der verschiedene Verschriftungsprozesse notwendig, da diese in Form von Ratsbüchern, Akten, Protokollen oder Kundschaften ungleich sind. Die Ungleichheit der pragmatischen Schriftüberlieferung (verstanden als Überbleibsel der alltäglichen Rechtspraxis) wird durch Gerichtsordnungen und diverse Ratserlasse (also die seitens der Obrigkeit gesetzten Rechtsnormen) komplementiert, sodass sich Gerichtsarchivalien und Ratsbücher gegenüberstehen. Fragt man nach dem Miteinander, gar der Wechselwirkung von Norm und Praxis, bedarf es einer günstigen Überlieferungssituation sowie eines geeigneten Untersuchungsorts, um den Antwortversuch überhaupt zu wagen. In Basel meine ich beides gefunden zu haben.

Denn in der Rheinstadt des 15. Jahrhunderts ist trotz fehlender obrigkeitlicher Normierung eine Spezialisierung der Prozessdokumentation und Verfahrensroutine nachweisbar. Damit ist die Kohärenz, gleichsam aber auch der Kontrast von Norm und Praxis augenscheinlich. Im Allgemeinen fällt hier nicht nur das breite Nebeneinander von Rats- und Gerichtsüberlieferung auf, sondern lässt sich im Speziellen auch feststellen, dass die Tätigkeit des Basler Gerichtes methodischer und zusammenhängender überliefert ist, als in anderen deutschsprachigen Städten der Zeit. Dennoch macht die Überlieferungssituation eine weitere Eingrenzung der Untersuchung notwendig: Zwischen den spätmittelalterlichen Gerichtsordnungen der Rheinstadt, die 1400/1411 und 1457 entstanden, sticht vor allem der Zeitraum zwischen 1438 und 1452 mit dem breitesten Nebeneinander an Quellen hervor (vgl. Abb.).

Überhaupt liegt der Studie die Hypothese zugrunde, dass die spätmittelalterliche Gerichtsbarkeit nur in der Zusammenschau von Verwaltungsschriftgut und normierten Rechtsquellen ganzheitlich beleuchtet werden kann. Mit dieser Synthese ist es erstens Ziel des Dissertationsprojekts, die rechtsgeschichtliche Entwicklung der Rheinstadt in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts nachzuzeichnen. Zweitens ist neben den gerichtsspezifischen Satzungen auch nach etwaigen Spezialisierungstendenzen des Basler Stadtrechts zu fragen, sodass der Charakter der Basler Gerichtsbarkeit insgesamt präziser ausgeleuchtet werden soll, als dies mit Blick auf die Forschung bisher der Fall ist. Und drittens konzentriert sich die Arbeit auf die Archivalien des Großbasler Schultheißengerichts, die aus sich heraus (ohne die vordefinierte Rahmung via Norm) über das spätmittelalterliche Gerichtsverfahren informieren.  Der Umstand, dass die Gerichtsbücher weder registriert noch umfassend erforscht sind, erschwert und rechtfertigt das Vorhaben gleichermaßen.

[finales Abstract - 11.01.2022, Daniel Kaune]


Die Arbeit an meinem Dissertationsprojekt nahm im Sommer 2015 ihren Anfang und war mit zahlreichen Archivaufenthalten in der Schweiz verbunden, bei denen ich die spätmittelalterliche Stadtbuchüberlieferung am Rheinknie ausführlich gesichtet habe (Rat und Gericht, circa 1356-1452). Im Dez. 2021 fand die Verschriftung des Themas ihren Abschluss, sodass ich die Arbeit im Jan. 2022 beim Promotionsbüro der Philosophischen Fakultät der Leibniz Uni Hannover vorlegen konnte. Das damit eröffnete Prüfungsverfahren fand im Jul. 2022 (durch die schr. Gutachten) bzw. im Sept. 2022 (in Form der mdl. Disputation) mit dem Gesamtnote 'summa cum laude' sein Ende. Der damit erworbene akad. Grad des Doktor designatus (Dr. des.) zielt mit Drucklegung der Arbeit (Monographie, voraussichtlich Winter 2023 / Frühjahr 2024) auf den Doktor der Philosophie (Dr. phil.). Dahingehend bemühe ich mich gegenwärtig um einen Feinschliff der Arbeit; bis dieser vorliegt gibt es hier einen Einblick in die Arbeit (Abstract, Gliederung/Inhalt & Einleitung [PDF]).

[Abschluss des Verfahrens - 23.09.2022, Daniel Kaune]

  • zugehörige Publikationen
    • Aufsätze:
      • Lobbyismus in der Rhein-Metropole? Handeltreibende und Rechtsprechende im spätmittelalterlichen Basel, in: Scripta Mercaturae (ScrM). Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialgeschichte 47 (2018), S. 37-72.
      • der besten urteil in der sach... Die Basler Gerichtsbarkeit in Auseinandersetzung mit überregionalen Appellationsinstanzen im 15. Jahrhundert, in: Josef Bongartz et al. (Hgg.), Feder und Recht. Schriftlichkeit und Gerichtswesen in der Vormoderne (Tagungsband zur 17. Nachwuchstagung des Netzwerks Reichsgerichtsbarkeit) (bibliothek altes Reich (baR) Bd. 39 [LINK]), Berlin 2023,  S. 177-200. [LESEPROBE] [LINK].
    • Monographie:
      • Rechtsnorm und Rechtspraxis im spätmittelalterlichen Basel, vorraus. 2023 [in Vorbereitung, 602 Manuskriptseiten].